Als Kleopatra, das «Monstrum», endlich tot war, jubelte Horaz, «nunc est bibendum», «nun wollen wir trinken», und holte seinen besten Wein aus dem uralten Keller. Als Genussmensch wusste er natürlich, dass ein Wein erst nach Jahren und Jahrzehnten der Reifung den Himmel auf die Erde holen kann. Und das war die Gelegenheit. Das Monstrum war tot!
Das Wissen, dass erst uralter Wein wirklich guter Wein ist, ging später in Europa für Jahrhunderte verloren, denn die Weine waren im Mittelalter eher dünn und alkoholschwach und bis ins 17. Jahrhundert ähnelten sie schon nach wenigen Monaten eher dem Essig und waren kaum mehr ein Genuss. Dann aber begannen die cleveren Engländer damit, gehaltvolle Weine aus Bordeaux und dem ganzen Mittelmeerraum in ihren Schlössern einzulagern. Sie füllten sie in die neu entwickelten Glasflaschen, verschlossen sie mit Naturkorken und stapelten sie für Jahre in ihren Kellern. Dabei entdeckten sie wieder, was Horaz und seine Zeitgenossen schon wussten, aber die Mönche des Mittelalters einfach vergassen: Wein verändert sich bei der Reifung und kann ganz neue und überraschende Qualitäten entwickeln.
Und heute? Die Technik der Weinbereitung hat in den letzten Jahrzehnten eine so sprunghafte Entwicklung durchgemacht, dass die meisten Weine schon trinkreif sind, wenn sie in die Flasche kommen und keine weitere Lagerung mehr nötig haben.
Trotzdem: Gerade rote Spitzenweine durchlaufen in ihrem Leben mehrere Stadien der Entwicklung und Reifung. Als junge Weine sind sie oft kaum trinkbar, da das herbe Tannin noch überwiegt und einem beim Trinken den ganzen Mund zusammenzieht. Mit der Zeit zerfällt dieser «Tanninvorhang» und dahinter kommt der wahre Wein zum Vorschein. Er hat die Zeit, da das Tannin ihn beschützte, dazu genutzt, um seine Reifearomen zu entwickeln, in der Weinsprache nennt man sie die Tertiäraromen. Es sind die Düfte des Herbstes, welcher ja auch sonst die Zeit der Reife und der Fülle ist. Im Wein findet man nun alles, was uns an Unterholz, an Laub und Pilze erinnert, und alles, was uns der Herbst und die vergehende Zeit auch sonst noch so bringt: Wild und Rauch, aber auch altes abgenütztes Leder, edles Holz und vieles mehr. Das Tannin ist nicht ganz verschwunden, aber es hat sich gewandelt, es hat seinen aggressiven jugendlichen Überschwang verloren und ist weich und fast süss geworden. Horaz würde, auch ohne totes «Monstrum», wieder jubeln: «Nunc est bibendum.»
Annemarie Wildeisen: Ich bin nach der Lektüre deines Artikels leicht verwirrt: Einerseits sagst du, heute seien die Weine nach der Abfüllung eigentlich schon trinkreif, dann aber singst du das hohe Lied der Reifung und der Lagerung. Was jetzt? Gleich trinken oder lagern?
Beat Koelliker: Hm... Da legst du den Finger natürlich genau auf das Problem. Junge Weine bezaubern uns oft mit ihrem Charme und ihrer unbeschwerten Jugendlichkeit, reife mit ihrer abgeklärten «Weisheit». Moderne Produzenten versuchen beides miteinander zu verbinden und den Liebhaber der jugendlichen Frucht genauso zu erreichen wie den Freund der Altersmilde, also Weine zu produzieren, die jung schon viel Spass machen, die aber auch mit Gewinn reifen können.
Wenn ich dich richtig verstehe, sind daher alle oder wenigstens die meisten Weine, wenn sie in den Handel kommen, trinkreif, einige kann man aber auch länger liegen lassen. Welche sind denn das?
Tannin, Alkohol, Säure und Süsse halten den Wein am Leben. Man findet diese Inhaltsstoffe, ausser der Süsse, vor allem in schweren Rotweinen. Diese gewinnen daher am meisten mit der Lagerung. Bei Weissweinen ist es schwieriger. Nur wirklich säurebetonte Weissweine (wie beispielsweise deutscher Riesling) oder Süssweine können über längere Zeit mit Gewinn reifen. Da aber jeder Wein und jeder Jahrgang seinen eigenen Charakter besitzt, rate ich unbedingt dazu, den Händler um Rat zu fragen, er kennt seine Weine am besten.
Auf was muss ich unbedingt achten, wenn ich mir ein paar Flaschen zum Reifen einlagere?
Erstens und am wichtigsten: Wein ist relativ robust. Er verträgt vieles, trotzdem sollte man auf ein paar Dinge achten.
...und das wären?
Die Temperatur: Zwischen etwa 5° und 20° verträgt der Wein alles. Was er nicht liebt, sind Temperaturschwankungen. Gleichmässige Temperatur ist ihm das Wichtigste. Bei höherer Temperatur reift er allerdings etwas rascher. Fremdgerüche: Auch durch den Korken hindurch dringen Fremdgerüche in die Flasche ein. Die Weine neben dem Benzinkanister oder den Zwiebeln im Keller zu lagern ist also keine gute Idee.
Licht: Lagerweine haben meist eher dunkle Flaschen und das mit gutem Grund, denn so dringt weniger Licht durch das Glas bis zum Wein vor. Falls jemand aber keinen dunklen Keller besitzt, so ist der Wein in der Kiste oder im Karton am besten aufgehoben.