Man trinkt sie gerne für sich, am Abend, um nachzudenken, zu philosophieren und seiner Seele etwas Gutes zu tun. Aber, der Reihe nach: Süssweine sind süss, manchmal fast honigsüss. Für viele sind sie damit banal, fast vulgär. Trotzdem gehören sie seit alters her zu den teuersten und gesuchtesten Weinen der Welt.
Grundsätzlich kann der Winzer den Zuckergehalt des Weins auf zwei ganz unterschiedlichen Wegen erhöhen: Entweder er konzentriert ihn schon vor der Vergärung in den Beeren so stark, dass der Wein auch nachher noch süss bleibt oder er verstärkt während der Gärung künstlich den Alkohol des Weins und tötet so die Hefen ab. Der Fachmann sagt, er spritet ihn auf. Der fertige Wein ist dann ebenfalls süss.
Den ersten Weg begehen die Winzer in den südlichen, sonnenreichen Ländern, in Süditalien zum Beispiel oder in Griechenland. Sie lassen die Trauben nach der Ernte einfach an der Sonne trocknen und keltern dann die rosinierten Beeren. Im Norden Italiens, wo die Sonne nicht so viel Kraft hat, legen die Winzer die ganzen Trauben auf Matten in den Durchzug, wo sie dann ebenfalls eintrocknen und an Süsse gewinnen. So entsteht beispielsweise der Amarone in der Gegend von Verona. Noch weiter im Norden, wo im Winter die Sonne hinter dichtem Nebel verschwindet, lässt man die Trauben am Stock hängen, bis sie beinhart gefroren sind. Wenn man sie dann auspresst, bleibt das gefrorene Wasser in der Kelter zurück und der gewonnene Saft ist konzentriert, voller Aroma und Süsse. Auf dem Etikett steht dann «Eiswein». Einen ganz anderen Weg, die Süsse zu verdichten, haben die Winzer in Sauternes, in Baden oder in Österreich gefunden. Sie lassen einen Edelpilz auf den Trauben wachsen. Dieser perforiert die Häute, das Wasser kann verdunsten und in der Beere konzentrieren sich wieder Süsse und Aroma. Diese Edelfäule gedeiht aber nur an bestimmten, nebligen und am Nachmittag sonnendurchfluteten Standorten.
Beim zweiten Weg nutzt der Winzer die Tatsache, dass die Vergärung bei einem Alkoholgehalt des Weins von über etwa sechzehn Volumenprozent automatisch aufhört. Er schüttet zu diesem Zweck in den noch gärenden (und damit noch süssen) Wein Branntwein und stoppt damit die Gärung ab. Der Wein bleibt süss und ist alkoholstark. So entstehen der Portwein, der Madeira oder auch der Sherry.
Annemarie Wildeisen und Beat Koelliker im Gespräch
Annemarie Wildeisen: Du sagst in deinem Artikel, dass der Name Dessertwein die Sache nicht mehr so ganz trifft. Die Süssweine (und ich bin ein grosser Fan davon) sind aber doch im Grund wirklich Dessertweine.
Beat Koelliker: Es kommt eigentlich nur darauf an, was man unter diesem Namen versteht. Nichts spricht dagegen, einen Süsswein als Dessert zu geniessen und ihm damit alle Ehre zu erweisen. Wenn ich ihn aber mit einem Dessert kombinieren will, wird es schon schwieriger. Süsse und Wein vertragen sich nämlich nicht immer unbedingt gut.
Das musst du erklären...
Feine Süssweine, wie ein Sauternes oder eine reife Riesling-Spätlese werden von einem süssen Dessert oft einfach erschlagen, dabei spreche ich noch nicht einmal von einem Schokoladendessert.
Es muss ja nicht ein Schokoladendessert sein. Warum nicht ein moderat süsser Obstkuchen, das kann doch ganz gut harmonieren.
Stimmt! Das kann sicher gut gehen. Das Obst darf allerdings nicht allzu säuerlich sein. Aber ich bleibe dabei: Ein Vino da meditazione wird am besten für sich allein genossen. So kann er auch am besten gewürdigt werden.
Und als Aperitif?
Da kann sicher ein leichter Süsswein ideal sein. Sonst ist eher ein trockener Sherry angesagt.
Ich werde oft gefragt, bei welcher Temperatur denn diese Vini da meditazione am besten schmecken…
Das ist eine häufig diskutierte Frage. Ich habe da eine klare Meinung: Meistens werden diese Weine zu kalt serviert. Ich brauche bewusst das Wort kalt und nicht kühl. Der Kühlschrank ist zu kalt und tötet die feinen Aromen einfach ab. Kellertemperatur ist meist richtig, also etwa 12 bis 13 Grad. Beim Portwein oder beim Madeira dürfen es auch ein bis zwei Grad mehr sein.
Eine letzte Frage betrifft das Lagern. Man liest immer wieder, dass Süssweine stehend gelagert werden sollen.
Grundsätzlich sollten Süssweine genauso wie alle anderen Weine liegend gelagert werden. Da viele von einer längeren Lagerung stark profitieren, muss der Lagerraum kühl, dunkel und erschütterungsfrei sein. Es stimmt allerdings, dass der Tokajer in seinem Herkunftsland oft stehend gelagert wird. Das geht dort aber nur deshalb gut, weil die Luftfeuchtigkeit in den Kellern auch sehr hoch ist.