Mein Schwiegervater pflegte nach grösseren Festivitäten zu bemerken: «Nichts ist schwerer zu ertragen als eine Reihe von guten Tagen.» Und er traf damit, wie so oft, ins Schwarze. Die Feiertage mit Weihnachten und Neujahr liegen hinter uns, wir haben die Freuden der Tafel und des Kellers ausführlich und hoffentlich ohne schlechtes Gewissen und böse Folgen genossen. Aber jetzt brauchen Körper, Geist und Seele Erholung. Und wir erinnern uns an die alte Regel: Das wichtigste Glas auf dem Tisch ist das Wasserglas. Eine Regel, die natürlich immer gilt und eigentlich auch während der Feiertage gegolten hätte. Aber das Wasser ist das Aschenputtel unter den Getränken, man trinkt es so nebenher und die Bühne gehört wie selbstverständlich dem Wein. Dabei spielen beide auf der gleichen Bühne, nur die Rollen sind verschieden, müssen aber wie im richtigen Theater gut zusammen harmonieren. Ein paar Hinweise der Regie:
Erstens und wichtigstens: Der Wein ist niemals ein Durstlöscher, dafür ist das Wasser da. Eine Grundregel sagt: Pro Glas Wein sollte man mindestens ein Glas Wasser trinken. Bei schweren Rotweinen eher etwas mehr.
Viele Mineralwässer haben einen ausgeprägten Eigengeschmack, der sich nicht immer mit dem Wein verträgt. Säurebetonte Wässer aus vulkanischen Böden (sogenannte Säuerlinge) verstärken geschmacklich sowohl die Gerbstoffe im Wein wie auch die Säure. Umgekehrt lässt basisches, das heisst mildes Wasser den Wein eher dumpf erscheinen. Die Aromen können sich nicht richtig entfalten.
Die Frage «mit oder ohne» Kohlensäure wird oft fast zu einer Glaubensfrage stilisiert. Wie bei den Schaumweinen beschleunigt die Kohlensäure die Aufnahme des Alkohols ins Blut. Der Wein steigt einem also etwas schneller in den Kopf. Kommt dazu, dass die Kohlensäure halt eben auch eine Säure ist, es gilt also das Gleiche wie bei den Säuerlingen. Ein nur leicht sprudelndes oder stilles Wasser ist also vorzuziehen.
Und das Hahnenwasser? In unseren Breiten ist das Hahnenwasser völlig unbedenklich, geschmacklich neutral und vielen, auch renommierten, Mineralwässern hygienisch ebenbürtig oder sogar überlegen. Auf dem Markt gibt es verschiedene Systeme, mit denen man dieses Wasser auch mit Kohlensäure versetzen kann.
Annemarie Wildeisen: Wir diskutieren immer mal wieder die Frage, welche Temperatur beim Wasser richtig sei. Einige Gäste lieben es eher kühl und frisch, andere dagegen eher in Zimmertemperatur.
Beat Koelliker: Daraus sollte man keine Religion machen, denn die Geschmäcker sind verschieden und die Jahreszeiten auch. Aber generell kann man sicher sagen: Stark kohlensäurehaltiges Wasser darf mit 16° bis 18° etwas wärmer sein als stilles (10° bis 12°). Und nur leicht sprudelndes Wasser sollte mit 13° bis 14° etwa dazwischen liegen.
Du singst das Hohelied des Hahnenwassers. Einverstanden. Aber sobald ich in Italien oder in anderen südlichen Ländern unterwegs bin, da schmeckt das Hahnenwasser oft grässlich nach Chlor.
Das ist doch der springende Punkt: der Geschmack. In dem Fall bleibt einem gar nichts anderes übrig, als auf ein Tafel- oder Mineralwasser aus der Flasche auszuweichen.
Du erwähnst saures und basisches Wasser. Wie kann ich als Konsumentin herausfinden, zu welcher Gruppe mein Mineralwasser denn gehört?
Wie sauer oder basisch ein Wasser ist, steht leider kaum je auf der Flasche. Da bleibt einem nur der aus der Schule bekannte Lackmustest oder man ruft bei der Mineralquelle an, wo man eigentlich immer eine freundliche Auskunft erhält.
Und die übrigen Mineralstoffe?
Natriumchlorid macht das Wasser leicht salzig, Calcium und Magnesium lassen es eher hart erscheinen. Hydrogencarbonat führt zu einer erdigen und Sulfat zu einer bitteren Note.
Es gibt ja Zeitgenossen, die das Wasser nicht neben dem Wein geniessen, sondern es gleich in den Wein hinein giessen. Was meinst du dazu, ist das nicht etwas arg barbarisch?
Ja schon, obwohl die alten Griechen den Wein nur mit Wasser gemischt tranken und es damals geradezu als Merkmal der Barbaren galt, reinen, also ungemischten Wein zu trinken. Seither ist aber der Wein anders geworden und auch das Wasser. Deshalb: Als Durstlöscher ist eine Weinschorle oder ein Gespritzter mit einem nicht zu anspruchsvollen Tafelwein im Sommer durchaus sinnvoll und erlaubt. Jetzt im Winter stimme ich dir eher zu: Ein bisschen barbarisch ist das schon.