In grauer Vorzeit soll Dionysos, einer der vielen unehelichen Söhne des Göttervaters Zeus, den glücklich machenden Wein zu den unglücklichen Menschen gebracht haben. Er wollte sie so in diesem Jammertal Welt etwas trösten und aufheitern. Und genau seit dieser Zeit haben wir Menschen ein Problem: Zwar wissen wir, dass der Wein mit der Reife immer besser wird, aber dass er dabei auch Gefahr läuft, einfach zu Essig zu werden. Wie und worin soll man ihn also lagern und, vielleicht für Jahre, aufbewahren. Man versuchte es mit Tongefässen, man versuchte es mit Holzfässern, Lederschläuchen, ja schon die Römer füllten ihn in teure Glasflaschen. Das Problem blieb im Kern aber bis ins 18. Jahrhundert hinein ungelöst. Da erst wurde das Glas langsam erschwinglich und mit dem Kork auch der ideale Verschluss gefunden. Ein Traumpaar wurde geboren, dessen Ehe erst heute mit dem Drehverschluss langsam in die Krise gerät. Die Glasflasche hält aber ihre Stellung ganz unangefochten, ja sie blüht richtig auf, fast jeder Produzent sucht sich mit einer eigenen Form oder Farbe zu profilieren: Das Resultat sieht man in jeder Weinhandlung.
Schaut man aber genauer hin, so sind es doch eigentlich wieder nur zwei Grundformen, aus denen sich alle anderen ableiten: die walzenförmige Bordeauxflasche mit der markanten Schulter und die Burgunderflasche, mit der sich nur langsam in den Hals hinein verjüngenden Form. Die Bordeauxflasche hat zwei grosse Vorteile: Man kann sie problemlos stapeln, und beim Einschenken auch eines reifen Weines mit ausgeprägtem Bodensatz bleibt dieser in der Schulter hängen und kommt nicht ins Glas. Ganz anders beim Burgunder. Dieser Wein macht zwar auch viel Bodensatz, der ist aber, im Gegensatz zum Bordeaux, nicht bitter, sondern oft fast süss. Es ist also beim Einschenken keine Todsünde, wenn noch ein wenig davon mit ins Glas gerät.
Von diesen beiden Grundformen her sind alle anderen abgeleitet: Weine, die lange gelagert werden sollten und eher bitteres Tannin enthalten, werden in Bordeauxflaschen abgefüllt, alle anderen in Burgunderflaschen. Zu den ersteren gehören, wie der Name schon sagt, die Bordeaux, die Riojaweine aus der Tempranillo-Traube, die Chiantis aus Sangiovese und viele mehr, zur zweiten alle Weine aus Pinot Noir, aber auch viele Weine aus dem Piemont und ausserdem natürlich alle Weissweine dieser Welt.
Annemarie Wildeisen: Das ist wirklich ein weites Feld, das du in deinem Artikel angesprochen hast. Ausser der Form gibt es ja auch noch die Farbe der Flaschen...
Beat Koelliker: In dunklen Flaschen hält sich der Wein besser als in hellen, da das Licht einen schädlichen Einfluss auf ihn ausübt. Deshalb werden Weine für lange Lagerung gerne in dunkle, oft fast schwarze Flaschen abgefüllt. Beim Portwein sieht man oft gar nicht mehr, wie gross der Rest in der Flasche ist.
Wie erklärst du dann, dass Rosé oft in glasklare Flaschen abgefüllt wird?
Genau aus dem Grund: Beim Rosé ist die Farbe so wichtig, dass man sie gerne sieht und zeigt. Andererseits sind Roséweine ja keine Lagerweine, sondern sollten spätestens nach zwei Jahren getrunken sein.
Die Farbe heisst ja nicht nur hell oder dunkel, Farbe heisst ja auch grün oder braun.
Und da kommen wir mehr auf das Feld der Traditionen als auf das der Funktion. Die meisten Weine werden in grünliches Glas abgefüllt. Viele Italiener und Deutsche bevorzugen aber braunes Glas.
Du erwähnst gerade die deutschen Weine. Ich habe oft das Problem, dass die deutschen Flaschen nicht in meinen Kühlschrank passen, sie sind einfach zu lang.
Das stimmt und ist tatsächlich ein Problem. Gerade liebliche und eher aromatische Weine werden heute wieder vermehrt in hohe, schlanke und langgezogene Flaschen abgefüllt. Das ist etwas unpraktisch, aber halt auch Marketing. Zu den unpraktischen Flaschen gehört sicher auch der berühmte Bocksbeutel, auf den die Franken so stolz sind.
Ein ganz anderes Problem, das mich genauso ärgert wie dich, ist die Mode, Flaschen immer noch schwerer zu machen. Man trägt dann schweres Glas nach Hause statt Wein.
Da bin ich mit dir hundert Prozent gleicher Meinung. Nur eine Ausnahme ist da gestattet: Die Flaschen von Champagner und anderen Schaumweinen müssen natürlich schwerer sein, um dem höheren Innendruck zu widerstehen.
Gehört eigentlich die Frage des Bodens auch in diesen Zusammenhang? Viele Flaschen haben einen tief eingezogenen Boden, bei anderen ist er dagegen ganz flach.
Ja, das gehört sicher zusammen: Flaschen mit einem tief eingezogenen Boden müssen natürlich etwas grösser sein, um das gleiche Volumen an Wein aufnehmen zu können. Sie stellen dann auch etwas mehr dar, was natürlich wieder den Marketingmann oder die Marketingfrau freut.