Und doch: Veganer Wein scheint kein weisser Schimmel zu sein, denn es gibt ihn. In jedem Weingeschäft, sogar bei den Grossverteilern, findet man ein Regal mit der Überschrift «Vegane Weine». Und der Markt ist auch da. Die Nachfrage jedenfalls steigt. Was also hat es damit auf sich?
Im fertigen Wein schweben immer noch Partikel herum, die auch beim Filtern nicht ganz entfernt werden können und die später in der Flasche ausflocken. Beim Weisswein verschleiern sie den strahlenden Glanz im Glas, der Wein kann trüb und matt wirken. Beim Rotwein fallen diese Partikel nach längerer Lagerung langsam aus und bilden den Bodensatz oder das Depot in der Flasche. Beide Prozesse können vom Kellermeister beeinflusst und gesteuert werden. Man nennt das die Schönung. Seit Jahrhunderten werden dafür die unterschiedlichsten Methoden und Stoffe verwendet. Besonders unappetitlich, und heute natürlich verboten, ist die Behandlung mit Blutmehl, auch gummi arabicum wurde schon versucht und vieles andere.
Heute sind vor allem zwei verschiedene Klassen von Substanzen gebräuchlich. Die eine davon ist tierischen Ursprungs und da horchen natürlich die Veganer auf.
Eines der ältesten Mittel, um Wein zu klären ist das Eiweiss. Man schlägt das Weisse vom Ei leicht auf und vermischt diesen Eischnee mit dem Wein. Dabei bindet er vor allem die bitteren Tannine im Rotwein, aber auch die Trübungen im Weisswein. Aus der Küche weiss ich, dass das sogar bei einer gewöhnlichen Bouillon ganz gut funktioniert. Für ein Barrique von 225 Litern Inhalt braucht man ca. 5 Eier. Das Gelbe vom Ei ist dann für den Winzer nur noch Abfall oder Inspiration für neue Betriebszweige und Spezialitäten.
Neben dem Eiweiss wird vor allem Gelatine verwendet, die früher aus der Schwimmblase einer bestimmten Störart gewonnen wurde. Heute wird diese Gelatine aus Häuten, Sehnen und Knochen von Schweinen und Rindern gewonnen. Etwa ein Gramm davon reicht für hundert Liter Wein.
Auch wenn von allen diesen Hilfsmitteln am Ende nichts mehr im fertigen Wein nachweisbar ist, für Veganer ist der Kontakt mit diesen tierischen Produkten trotzdem ein Graus. Und vielleicht finden ja trotz allem doch auch noch Spuren davon den Weg ins Glas.
Annemarie Wildeisen: Gibt es ausser Eiweiss und Gelatine noch andere tierische Stoffe, die im Weinkeller eingesetzt werden?
Beat Koelliker: Also im Grunde geht es um den Stoff Eiweiss und der kann auch aus der Milch, als Kasein, gewonnen werden. Oder, und da wird es für Veganer interessant, auch aus Pflanzen, aus grünen Erbsen etwa oder aus Weizen.
Sollte das nicht auch auf dem Etikett deklariert werden?
Einige Winzer schreiben auf dem Etikett tatsächlich, dass es sich um einen veganen Wein handelt. In der EU muss allerdings erst seit 2012 die Verwendung von Eiweiss und Kasein deklariert werden. In Australien und Neuseeland sind die Vorschriften vor allem bei potenziell allergenen Stoffen strenger.
Das heisst, man muss dem Winzer einfach vertrauen. Damit kann ich leben. Nun aber umgekehrt gefragt: Was machen die Winzer, die auf solche Kellertechniken verzichten?
Man hat herausgefunden, dass gewisse Tonminerale, ganz besonders Bentonit oder Kaolin, den Wein ebenfalls klären können. Ganz besonders bei weissen Weinen werden diese Stoffe heute weltweit eingesetzt. Und diese sind nun definitiv vegan. Sie scheinen allerdings den Geschmack des Weins leicht zu beeinträchtigen.
Das interessiert mich: Kann man beim Degustieren feststellen, ob ein Wein vegan ist oder nicht?
Jede Schönung ist ein Eingriff in den natürlichen Wein. Ganz unabhängig von der Frage vegan oder nicht. Der Winzer ist natürlich überzeugt davon, dass er nur eingreift, um zu unterstützen oder zu verbessern, sei das geschmacklich oder optisch. Aber rein degustativ zu entscheiden, das ist vegan und das nicht, halte ich für praktisch unmöglich.
Es bleibt also bei der Vertrauensfrage. Ich habe allerdings schon gehört, dass vor allem die Winzer von besonders feinen Rotweinen, die auch für eine längere Lagerung vorgesehen sind, lieber auf eine Schönung verzichten, weil die Natur ja von sich aus schon für eine Klärung des Weines sorgt, wenn man ihr die notwendige Zeit lässt.
Das ist richtig. Die Schönung ist vor allem ein Eingriff, um Zeit und damit natürlich auch Geld, das heisst Lagerkosten, zu sparen. Davon profitieren der Winzer und der Kunde.