Den armen Adligen halfen kein Schafsfell und kein Wolfspelz: Der Landlord und seine Lady froren Winter für Winter und Abend für Abend. Denn gegen diese Kälte helfen weder warme Decken noch Feuer, da hilft nur die Wärme von innen. Das wussten schon die verblichenen Ahnen und hinterliessen ihren Enkeln einen beruhigenden Vorrat an Portwein im Keller des Schlosses.
Gehen wir ein paar Jahrhunderte zurück und begleiten wir einige englische Handelsleute, die Ende des 17. Jahrhunderts auf ihrem Weg um die iberische Halbinsel herum an den Oberlauf des Douro in Portugal kamen. Hier entdeckten sie in einem Kloster einen Abt und seine Mönche, die ihren Wein schon zu Beginn der Gärung mit Alkohol verstärkten. So stoppten sie den Gärvorgang. Das hatte einen doppelten Effekt: Der Zucker der Trauben blieb Zucker und der Wein somit süss, und er war durch die Zugabe von Alkohol trotzdem stark. Beides machte ihn für den Transport ins ferne England robust und stabil. Dorthin wurde er verschifft, und dort entdeckten ihn nun die frierenden Landlords. Es war genau das, was sie suchten und brauchten, einen süssen und starken Wein, der von innen heraus die Seele wärmte, auch wenn die Sturmwinde um den Schlossturm heulten und die Krähen ihr Lied dazu sangen.
Das Geheimnis des Portweins beginnt weit oben im kargen und heissen Dourotal. Über 80 Rebsorten wachsen dort auf trockenem Schieferboden und sind für den Portwein zugelassen. Früher wurden die Trauben nach der Ernte in grossen Steinwannen mit den nackten Füssen gestampft, um die Farbe und die Aromastoffe aus den Beerenhäuten zu gewinnen, ohne die bitteren Traubenkerne zu verletzen. Heute machen das Maschinen (und bezahlende Touristen zu Musik). Das Wichtigste aber ist das Aufspriten: In den erst zur Hälfte vergorenen Wein wird Weinbrand geschüttet und so die Gärung gestoppt. Je früher das geschieht, umso süsser ist der Wein. Der Weinbrand macht ihn trotzdem stark, zwischen 19 und 22 Volumenprozent.
Genau diesen Wein brauchen auch wir jetzt, süss, alkoholreich und voller Extrakt. Der Winter mit seinen langen Abenden kann kommen. Wir sind gerüstet.
Annemarie Wildeisen: Ich stimme deinem Lobgesang auf den Portwein voll und ganz zu. Auch in der Küche ist er eine wunderbare Zugabe zu Saucen und Suppen. Wichtig ist aber auch, dass man sich in der verwirrenden Fülle der Stile und Namen etwas auskennt. Kannst du uns da etwas Ordnung ins Labyrinth bringen?
Beat Koelliker: Gerne. Der einfachste und auch günstigste Port heisst Ruby, weil seine Farbe in einem kräftigen Rubinrot leuchtet. Er bleibt für zwei bis drei Jahre in grossen Tanks und wird dann in Flaschen abgefüllt. Einmal abgefüllt, ist er auch trinkreif, im Geschmack jugendlich, saftig und voller Frucht. In der Flasche wird er nicht mehr wesentlich besser.
Gehen wir doch noch eine Qualitätsstufe höher...
Dann kommen wir zum Tawny. Die besseren Jahrgänge werden nach den ersten zwei Ruby-Jahren im grossen Fass belassen oder in kleinere Fässer umgefüllt. Und bleiben dort noch für einige Jahre. Sie werden dabei tawny, das heisst heller, man könnte auch sagen mahagonifarben.
Ein solcher Wein muss sicher auch schon einen gewissen Preis haben.
Ja klar, allerdings findet man im Supermarkt sogenannten Tawnyport schon zu sehr günstigen Preisen. Daher aufgepasst, es gibt viel nachgemachten und darum auch billigen Tawny im Handel. Der schmeckt dann auch so.
Dann gibt es doch auch noch den wirklich teuren Vintage Port.
Ja, der zählt zu den grössten und unsterblichsten Weinen dieser Welt. Er wird nur in den besten Jahren und aus den allerbesten Trauben gekeltert. Den Entscheid fällt jedes Portweinhaus nach seinen eigenen Kriterien. Der Wein bleibt nach der Ernte nur zwei, drei Jahre im Fass und kommt dann gleich in die Flasche. Dort bleibt er aber für viele Jahre, manchmal auch für Jahrzehnte und reift und reift. Dabei bildet sich in der Flasche ein krustiges Depot. Die Engländer nennen diesen Wein daher auch Crusty Port. Er sollte deshalb immer dekantiert werden. In der Flasche wandelt sich der Geschmack des Weins von anfänglich fruchtig-frischen Aromen zu einem Cocktail aus Gewürzen, Rosinen, Dörrpflaumen, Nüssen, Datteln, Karamell, Kaffee und vielem mehr. Auch seine Farbe wird heller, goldener.
Noch ein letztes Wort zum Glas und zur Temperatur?
Als Glas empfiehlt sich ein kleines Süssweinglas, das man nur zu einem Drittel füllt. Ruby Port kann man schön kühl geniessen, mit etwa 12° liegt man richtig. Vintage entfaltet seinen Geschmacks- und Duftreichtum aber erst mit 15° bis 16°.