Santinigginäggi Hinderem Ofe stäggi Gib mr Nuss und Bire, denn chum i wider füre.
Ein Nikolausvers im Juniheft von KOCHEN? Also mitten im Frühsommer? Weiter weg als jetzt ist die stimmungsvolle Zeit mit den Birnen und Nüssen das ganze Jahr über nie. Wir nähern uns dem längsten Tag des Jahres, der Sommersonnenwende. Und diese liegt Weihnachten genau gegenüber. Es ist die Johannisnacht, traditionell die Nacht vom 23. auf den 24. Juni. Da fliegen die leuchtenden Johanniskäfer, da erblüht das Johanniskraut und da zündet man das Johannisfeuer an. Und genau in dieser magischen Nacht verlieren gewisse Pflanzen ihre gesundheitsfördernde Wirkung, der Rhabarber zum Beispiel oder der Spargel. Und ebenfalls in dieser Nacht entwickeln andere Pflanzen erst ihre wahren Kräfte, zum Beispiel die grünen Nüsse.
Und damit wären wir wieder beim Nikolausvers. Denn diese Nüsse muss man jetzt ernten, damit man daraus einen Likör ansetzen kann, der an Weihnachten dann so wundervoll duftet und die Seele wärmt.
Das Rezept ist ganz einfach: Man sammelt jetzt die grünen Nüsse. Sie sollten noch so weich sein, dass man sie mit einer Nadel gut durchstechen kann. Bevor man aber irgendetwas damit anfängt, muss man sich Handschuhe anziehen, am besten Einweg-Latexhandschuhe. Sonst kriegt man die dunkelbraune Farbe tagelang nicht mehr von den Händen. Dann schneidet man mit einem scharfen Messer die Nüsse mit den grünen Schalen in feine Scheiben. Es braucht etwa zwölf für einen Liter Likör. Die füllt man in ein Einmachglas mit grosser Öffnung und giesst dazu einen knappen Liter guten Obstler oder auch Weinbrand. Das Ganze stellt man jetzt an die Sonne und schüttelt das Glas zuerst täglich, dann wöchentlich kräftig durch. Nach zwei Monaten hat der Schnaps eine schöne dunkelgrünbraune Farbe angenommen. Jetzt kann man ans Würzen gehen: Ich gebe 250 Gramm braunen Kandiszucker, einen Suppenlöffel gemahlene Kaffeebohnen, einen gehäuften Kaffeelöffel Schokoladenpulver und das Innere einer Vanilleschote dazu. Und jetzt heisst es nur noch, Geduld, Geduld, Geduld. Am Nikolaustag darf man dann durch ein feines Tuch absieben und probieren.
Annemarie Wildeisen: Vielen Dank für das schöne Rezept. Ich habe aber den Eindruck, dass du uns deine Experimentierfreude etwas vorenthältst...
Beat Koelliker: Dein Eindruck täuscht dich natürlich nicht. Das ist ja das Schöne beim Selbermachen, man kann seinen Ideen und Vorlieben nachgehen und sie ausleben. Wenn man einen Nusslikör kauft, so erhält man meistens einen Durchschnittsgeschmack, der einem schon auch gefällt, aber halt doch nicht so ganz.
Du hast ja sicher auch schon das eine oder andere ausprobiert. Erzähl uns doch noch etwas von deinen Versuchen.
Also mein Lieblingsrezept ist schon das mit Kaffee und Kakao. Man kann aber auch mit Gewürzen experimentieren, zum Beispiel mit Zimt, Nelken, Muskat. Das kommt sicher gut; mit den Nelken muss man aber sehr vorsichtig sein, sie dominieren schnell den Geschmack. Gut passt zu den Nüssen auch die abgeriebene Schale von unbehandelten Orangen und Zitronen.
Was ist aber auf jeden Fall das Wichtigste?
Grüne Nüsse haben immer sehr viel Tannin, sie ziehen den Mund zusammen und machen ihn pelzig. Da helfen zwei Dinge: Erstens und am wichtigsten, man muss den Likör lange reifen lassen. So richtig gut ist er frühestens an Weihnachten, aber er wird auch dann noch von Monat zu Monat immer besser. Und zweitens, man darf nicht zu sparsam mit dem Kandiszucker umgehen. Allerdings kann man auch an Weihnachten immer noch nachsüssen.
Nussbäume sind ja ganz unabhängig von den Nüssen sehr spezielle Wesen, die oft eine eindrückliche, fast magische Ausstrahlung besitzen. Darum behandeln wir sie und ihre «Produkte» auch als etwas Besonderes.
Genau. Meistens stehen sie ja auch allein in einem Garten oder bei einem Haus und kaum je im Wald. Man merkt, dass sie das Licht lieben und in ihren ausladenden Kronen einfangen. Ihr lateinischer Name ist denn auch königlich, Juglans regia.
Regia verstehe ich und was bedeutet Juglans?
In der Bezeichnung versteckt sich der Name des obersten römischen Gottes, Jupiter, dem diese Bäume, genau wie die Eichen, heilig waren.
Und in unseren nachrömischen Zeiten?
Also wir schätzen natürlich vor allem das schöne und fein gemaserte Holz. Ich selbst trockne auch die Blätter und verwende sie dann in meinem Bienenhaus als Räuchermittel. Die Bienen und der Imker lieben diesen Duft fast wie eine Droge.