Man versetze sich einmal in Gedanken ins ferne Mittelalter: Das Wasser in den Bächen und Brunnen war meist ziemlich dreckig oder gar verseucht und stank nach der Gülle eines ganzen Dorfes oder einer Stadt. Da konnte man sich leicht Krankheiten oder, noch schlimmer, Seuchen holen. Wer auf Nummer sicher gehen wollte, kochte das Wasser ab. Oder wich auf alkoholische Getränke aus, denn der Alkohol macht, wie man schon damals aus Erfahrung wusste, die Krankheitskeime im Wasser unschädlich. Überall wurde deshalb Bier gebraut und auf jedem Hügel wurden Reben gepflanzt. Bier wie Wein waren allerdings meist von eher zweifelhafter Qualität. Den Wein bewahrte man im Fass auf, wo er langsam aber sicher zu Essig wurde. Kein Wunder also, dass die Leute zu allen möglichen Mitteln griffen, um ihn einigermassen trinkbar zu machen: Man mischte Gewürze, Kräuter und Honig dazu. Und schon schmeckte das Gebräu gar nicht mehr so schlecht. Die alten Römer und die noch älteren Griechen machten es übrigens genau so.
Und wenn man die Gewürze im Wein auch noch kurz aufkochte, so schmeckten sie natürlich um einiges intensiver. Der allseits beliebte Glühwein, nach dem die Weihnachtsmärkte jetzt landauf und landab duften, hat also Wurzeln, die tief in die Geschichte zurückreichen.
Wer heute einen guten, qualitätsvollen Glühwein brauen will, der braucht als allererstes einen guten, qualitätsvollen Basiswein, am besten einen dunklen Rotwein aus Spanien oder aus der Neuen Welt. Dazu kommen Gewürze nach Belieben: Anis, Sternanis, Kardamom, Ingwer, Muskat, Nelken, Piment, Zimt. Und natürlich Orange und Zitrone, in Form von Saft oder Schale. Hier dürfen sich Fantasie und Kreativität frei entfalten: Gut ist, was schmeckt. Und genau das gilt auch für das Süssen. Als Imker ziehe ich natürlich echten Bienenhonig jeder Art Zucker vor. Und manche lieben es halt besonders süss, andere etwas dezenter. Beim Aufwärmen muss man allerdings schon genau sein: Keinesfalls darf der Glühwein kochen. Bei 78° beginnt sich nämlich der Alkohol zu verflüchtigen, und das wäre ja schade. Bei höheren Temperaturen wird der Wein auch dünn, verliert seine schöne Farbe und wird braun.
Ein letzter Tipp: Schon so mancher hat sich am Glühweinglas die Finger verbrannt, das muss nicht sein: Man wärmt sich zwar in der kalten Dezembernacht gerne die Hände am Glas, aber ein Henkel erlaubt es einem doch, die Wärme zu dosieren.
Annemarie Wildeisen: Mir steigt der Glühwein immer so schnell in den Kopf, ist da nicht auch noch etwas Höherprozentiges mit im Spiel als einfach nur Wein? Beat Koelliker: Manchmal wird dem Glühwein tatsächlich auch Branntwein, Rum oder ein Likör wie Amaretto beigemischt. Eigentlich handelt es sich dann aber nicht um Glühwein, sondern um Punsch. Aber auch der «normale» Glühwein kann einem ganz schön in den Kopf steigen. Die Wärme und der Zucker (beziehungsweise der Honig) bewirken, dass der Alkohol vom Magen schneller ins Blut hinüberwechselt, und dann ist der Weg in den Kopf nicht mehr so weit.
Ich gehe gerne mit Kindern auf den Weihnachtsmarkt und da stellt sich natürlich die Frage: Gibt es auch Glühwein ohne Alkohol? Auf jeden Fall. Man nimmt dann einfach statt Wein Traubensaft und würzt etwas vorsichtiger, sonst ist den Kindern das Getränk einfach ein wenig zu heftig.
Auf dem Weihnachtsmarkt in Bern habe ich auch schon weissen Glühwein getrunken, und der hat mir auch ganz gut geschmeckt. Ja, da gibt es viele Variationen. Vor allem die Italiener bevorzugen aus Weisswein hergestellten Glühwein. In Deutschland gibt es auch die Variante mit Apfelwein.
Ich habe vor kurzem eine Flasche Hippokras geschenkt bekommen, und der erinnerte mich stark an den Geschmack und den Duft von Glühwein. Das war sicher ein Basler, der dir dieses Geschenk gemacht hat, denn in Basel ist es heute noch Brauch, in der Neujahrsnacht ein Gläschen Hippokras auszuschenken und dabei die berühmten Basler Läckerli zu geniessen. Der Name des Hippokras leitet sich übrigens vom griechischen Arzt Hippokrates ab. Denn noch im Mittelalter hat man einem Würzwein grosse Heilkraft zugeschrieben, der mit einer ähnlichen Kräutermischung aromatisiert war, wie wir sie heute noch für den Glühwein verwenden. Im Unterschied zum Glühwein wird der Hippokras aber nicht heiss, sondern in normaler Zimmertemperatur serviert.
Du erwähnst die Basler Läckerli. Zum Glühwein passen natürlich auch all die vielen Weihnachtsguetzli, die wir in diesem Heft vorstellen, neben den Lebkuchen und dem feinen Magenbrot aus der Bäckerei.