Um gleich jedem Missverständnis vorzubeugen: Der Vermerk «Enthält Sulfite» ist keine Warnung, sondern eine Information für Konsumenten mit einer Schwefelallergie und für Asthmatiker. Alle anderen müssen sich vor Sulfiten nicht fürchten und können den Hinweis einfach vergessen.
Aber der Reihe nach: Schwefel wird seit Jahrhunderten in der Weinbereitung verwendet, um den Wein vor Mikroorganismen zu schützen und um eine unerwünschte Oxidation zu verhindern. An drei Stellen in der Biografie eines Weins ist das wichtig.
Zuerst bei der Lese selbst. Auf grossen Weingütern werden die Trauben oft nicht besonders sorgfältig gelesen und dabei auch verletzt oder über grössere Strecken in der Wärme des Nachmittags transportiert. Dabei kann eine unkontrollierte Gärung beginnen. Das passt dem Kellermeister aber natürlich überhaupt nicht. Und um es zu verhindern, fügt er vor dem Transport dem Traubengut manchmal etwas Schwefeldioxid bei. Wichtiger ist aber, was anschliessend im dunklen Keller geschieht. Die meisten fertig abgefüllten Weine enthalten noch einen – kleinen – Anteil an nicht vergorenem Zucker. Das macht auch trockene Weine runder und geschmeidiger. Die Gärung geht aber von Natur aus so lange weiter, bis die Hefen auch den letzten Rest an Zucker «aufgefressen» haben.
Der Kellermeister muss den Hunger dieser kleinen gefrässigen Lebewesen also irgendwie stoppen. Das macht er mit Schwefel. Und je mehr Zucker im Wein bleiben soll, je lieblicher oder süsser er am Schluss also sein wird, umso mehr Schwefel braucht es. Trockene rote Weine enthalten daher weniger Sulfite als weisse liebliche. Am meisten davon finden wir natürlich in den süssen Dessertweinen. Wir bewegen uns dabei zwischen Höchstmengen von 150 bis 400 mg Schwefeldioxid pro Liter. Zum Vergleich: Ein Kilogramm Trockenfrüchte darf je nach Obstsorte 500 bis 2000 mg Sulfite pro Kilogramm enthalten...
Ein dritter Grund für den Einsatz von Schwefel bei der Vinifikation ist der Schutz des Weins vor Oxidation. Genauso wie ein angeschnittener Apfel an der Luft braun wird und damit auch seinen Geschmack verändert, verändert sich auch das Aroma eines Weins durch den Kontakt mit Sauerstoff. Er riecht und schmeckt dann nach Caramel, Nüssen oder Seife. Bei einigen Likörweinen ist das zwar erwünscht, bei allen anderen Weinen gilt das aber als Fehler.
Annemarie Wildeisen: Du beschreibst in deinem Artikel sehr genau, weshalb der Winzer und der Kellermeister Schwefel einsetzen, aber wenn ich am nächsten Morgen mit Kopfschmerzen erwache, so hilft mir das wenig.Beat Koelliker: Da muss ich den Schwefel in Schutz nehmen. Denn für deine Kopfschmerzen sind ganz andere Inhaltsstoffe verantwortlich, zum Beispiel schlicht und einfach der Alkohol (wenn er denn übermässig genossen wurde) oder das Histamin, das vor allem in reifen Weinen vorkommt und bei dafür empfindlichen Menschen migräneartige Kopfschmerzen hervorrufen kann. Schwefel ist in den zulässigen Mengen aber gesundheitlich absolut unbedenklich, ausser, wie erwähnt, für Allergiker und Menschen, die an Asthma leiden. Und vor allem für diese ist die Info auf dem Etikett auch gedacht.
Gut, das war ja nur eine theoretische Frage, denn bei meinen Trinkgewohnheiten habe ich am nächsten Morgen natürlich nie Kopfschmerzen ... Aber gibt es denn Wein, der gar keinen Schwefel enthält?Nein, das gibt es nicht. Denn kleine Mengen von Schwefelverbindungen entstehen bei jeder Gärung als Stoffwechselprodukt der Hefen. Da kommt man nicht darum herum. Davon ist aber der zugesetzte Schwefel zu unterscheiden und da gibt es durchaus Versuche, ganz ohne auszukommen. Das ist aber gar nicht so einfach, denn die Weine bleiben in diesem Fall sehr oxidationsanfällig und können Nebengerüche entwickeln, die von einer unkontrollierten wilden Gärung stammen.
Manchmal habe ich den Eindruck, dass ich in bestimmten Weinen einen Schwefelgeruch wahrnehme, ist das möglich?
Ja schon. Darin liegt denn auch der grösste Nachteil des Schwefels, sein Geruch sticht uns bereits bei sehr geringer Konzentration deutlich in die Nase. In reinem Wasser beispielsweise können geübte Verkoster eine Konzentration von 11 mg Schwefeldioxid pro Liter gerade noch erkennen. Im Wein allerdings liegt die Wahrnehmungsschwelle deutlich höher, denn da wird der Schwefelgeruch von anderen Aromen überdeckt. Normalsterbliche können beim Rotwein ab etwa 100 mg und beim Weisswein ab etwa 200 mg pro Liter den Schwefel riechen. Die individuellen Unterschiede sind aber beträchtlich.