Der Angriff kam völlig unerwartet. Meine Kinder und ich waren im Wald unterwegs und sammelten Bärlauch. Bis mich eine andere Mutter angiftete: « Das ist völlig verantwortungslos, was Sie da machen! Denken Sie doch mal an all die Fuchsbandwurmeier. Und an das Gift, wenn Ihre Kinder etwas verwechseln. Spinnen Sie eigentlich?» Ich war zu baff, um schlagfertig zu antworten. Später dachte ich, dass es dem Jungen der andern Mutter sicher gefallen würde, wenn auch er, anstatt brav hinterherzutrotten, Wildkräuter sammeln und dabei viel Wissenswertes erfahren dürfte. Zumal sein statistisches Risiko, dereinst an einem Herzinfarkt oder Autounfall zu sterben, eh um ein Vielfaches höher ist als dasjenige, einem Fuchsbandwurm zu erliegen. Dass Mütter andern Müttern oft ungefragt dreinreden, ist eine andere Geschichte. Jedenfalls oute ich mich hier offiziell als Fan des Wildkräutersammelns. Sie sind gratis und gleichzeitig bewegt sich die Familie an der frischen Frühlingsluft.
Meist sind Wildpflanzen viel aromatischer als Kulturgemüse.
Bärlauchpesto, Löwenzahnblütenhonig oder das vanilleähnliche Aroma von Waldmeisterdesserts machen Appetit auf mehr. Wie wäre es mit einer selbst gemachten Brennnesselbutter auf frisch getoastetem Brot oder mit Artischockenherzen vergleichbaren Fruchtböden der grossen Klette, serviert an einer Kräuterquarksauce?
- ° Sammeln Sie wegen möglicher Düngemittel und Pestizide nicht in der Nähe von Gärten und Feldern.
- ° Sammeln Sie keine vom Aussterben bedrohte Pflanzen (z. B. Silberdistel)
- ° Sammeln Sie nur an Fundorten, an denen die Pflanze in grosser Zahl vorkommt
- ° Sammeln Sie nur so viel, wie Sie in den nächsten zwei Tagen essen können
- ° Pflücken Sie nie die ganze Pflanze, sondern nur einzelne Blätter
- ° Füllen Sie das Sammelgut locker in kleine Plastiksäcke, die Sie kühl und sonnengeschützt aufbewahren.
Wildkräuter sind auch viel gesünder als schlappe Treibhaussalate aus dem Supermarkt.
Die Brennnessel enthält 30-mal mehr Vitamin C als Kopfsalat und das 50-fache an Eisen sowie das 25-fache an Magnesium.
Wenn man die jungen Blättchen roh essen möchte, fährt man einfach mit einem Wallholz darüber. Dann sind die Brennhaare platt und brennen nicht mehr. Kindern schmecken Löwenzahnblätter selten, während sie Erwachsene gerade wegen der appetitanregenden Bitterstoffe schätzen. Der bittere Geschmack verliert sich, wenn man die Blätter 30 Minuten in Salzwasser legt. Sinn macht das aber nicht, denn dabei werden Vitamine und Mineralstoffe wie Betakarotin, Kalium, Kalzium, Magnesium und Eisen ausgeschwemmt, die Löwenzahn in beträchtlichen Mengen enthält. Bärlauch kann Viren und Bakterien abtöten. Genau die richtige Nahrung nach längeren Grippe- und Erkältungsperioden.
Und damit die möglichen Gefahren in Schach gehalten werden können, gibt es ein paar Regeln. Wir pflücken nur, was wir sicher kennen. Dies gilt besonders für Kinder: Sie sollten keine Pflanzen essen, die sie den begleitenden Erwachsenen nicht vorher gezeigt haben.
Allzu leicht könnten sonst essbare Bärlauchblätter mit hochgiftigen Maiglöckchenblättern verwechselt werden.
Wir halten Mass: Wer zu viel von gewissen Wildkräutern isst, muss mit unangenehmen Nebenwirkungen rechnen. Waldmeister kann Kopfschmerzen, Verdauungsbeschwerden oder Atemlähmungen verursachen. Sauerampfer ist wegen der darin enthaltenen Oxalsäure für Nierenkranke ungeeignet. Und der Fuchsbandwurm? Gründliches Waschen und Kochen hält dieses Risiko in Grenzen.