In unserer Lieblingstrattoria im Veltlin lese ich an der Wand den schönen Spruch: «Es gibt nur eine Mahlzeit ohne Wein. Sie heisst Frühstück.» Einverstanden. Stimmt. Da hat jemand den Nagel auf den Kopf getroffen.
Aber da kommt auch schon Anna, die Wirtin, geräuschvoll aus der Küche und bringt uns zwei Teller mit herrlich frischem Salat: Grün in allen Variationen, Sprossen, Löwenzahn, Rucola, fleischigsaftige Tomatenstücke, ein paar Oliven und alles bestreut mit duftenden Kräutern. Hm. Und jetzt? Gibt es tatsächlich nur eine Mahlzeit ohne Wein? Vielleicht gibt es doch auch Ausnahmen zum schönen Spruch an der Wand.
Gehen wir das «Problem» doch mal etwas systematisch an: Säure und Säure mögen sich bekanntlich überhaupt nicht. Bitterstoffe und Säure genauso wenig. Eine Vinaigrette mit Essig und ein leicht bitterer Löwenzahn werden daher jedem Wein mit Sicherheit den Garaus machen. Man muss also vorsichtig und umsichtig zu Werke gehen, um den Spruch an der Wand zu retten:
Das Dressing: Etwas Säure gehört natürlich an jeden frischen Salat. Aber es muss ja nicht unbedingt Essig sein. Fast immer kann man ihn mit mild-saurem Limettensaft oder frisch gepresstem Orangensaft ersetzen. Oder mit Wein, am besten mit dem, den man dann auch dazu trinkt. Und wenn es denn Essig sein muss, so soll er mild sein und nur mit grosser Weisheit verwendet werden. Ein paar Tropfen Balsamico können schon genügen. Wunder wirken kann auch das verwendete Öl: Natürlich lieben wir alle Olivenöl, aber versuchen Sie es einmal mit einem feinen Nussöl, etwa von Baumoder Haselnüssen. Es macht jedes Dressing rund und weich. Und gibt man dann noch ein kleines Löffelchen Honig dazu, so baut sich zur Säure eine wunderbare Spannung auf. Den Senf würde ich ganz im Kühlschrank lassen.
Und nun zum Wein: Zwei Dinge sind verboten: Tannin und ausgeprägte Säure. Damit scheiden eigentlich alle säurereichen Weissweine aus, dazu sämtliche Rotweine und alle im Barrique ausgebauten Weissweine ebenfalls. Übrig bleiben die weichen, leichten und fruchtigen Weissweine oder Rosés. Unser in der deutschen Schweiz weit verbreiteter Müller-Thurgau oder Riesling x Sylvaner eignet sich da bestens, aber auch leichte Weiss- und Grauburgunder. Und wenn Sie Mut haben, so versuchen Sie es einmal mit einem bouquetreichen Wein, einem Muskateller oder einem Gewürztraminer. Sie erleben ein kleines Geschmackswunder, vor allem, wenn das Dressing etwas süss und mit Kräutern gewürzt ist.
Beat Koelliker: Darf ich dir zuerst mal eine Frage stellen? Ich habe in meinem Artikel auf der vorhergehenden Seite einfach mal behauptet, man könne für das Salatdressing statt Essig auch Wein nehmen, am besten natürlich den, den man dann auch dazu trinkt. Was meinst du zu dieser Idee?
Annemarie Wildeisen: Mir gefällt sie durchaus. Wenn allerdings Kinder mit am Tische sitzen, würde ich den Wein vorher kurz aufkochen, damit der Alkohol rausgeht. Etwas anderes: Ich liebe knackige Radieschen. Wie steht es da mit Wein?
Eher schlecht. Sie besitzen ja eine gewisse Schärfe und sollten daher nur wie ein Gewürz im Salat verwendet werden. Sonst dominieren sie zu stark und stören damit jeden Weingenuss. Es tut mir zwar etwas in der Seele weh, aber wenn du die Radieschen alleine geniessen willst, empfehle ich dir als Getränk dazu statt Wein eher ein Weizenbier. So wie das die Bayern mit dem Radi schon immer gemacht haben.
... und wie steht es mit den Tomaten?
Du greifst wirklich die echten Problemfälle heraus. Tomaten haben nämlich erstaunlich viel Säure, was man nicht so leicht wahrnimmt, da sie gleichzeitig auch recht süss sind. Da würde ich einfach die Waffen strecken und den Tomatensalat (mit oder ohne Mozzarella) ganz für sich allein geniessen.
Was du beschreibst, ist ja eher der kleine vegetarische Salat, den man meistens als Vorspeise oder als Beilage serviert. Jetzt im Sommer freue ich mich aber darauf, am Mittag auch einmal nur einen Salat zu essen. Aber nicht einfach so pur, sondern angereichert mit einem kleinen gebratenen Fischfilet darauf oder ein paar Stücken Geflügelleber oder einfach mit dem, was der Kühlschrank gerade so bietet. Und ein Glas Wein würde ich dazu natürlich auch ganz gerne trinken. Was nun?
Grundsätzlich gilt das Gleiche wie beim einfachen Salat, denn die Basis bleibt sich ja gleich. Aber selbstverständlich soll man auf den neuen Partner auch eingehen und dann könntest du ihm zuliebe eher einen kräftigen Weisswein wählen, einen Weiss- oder Grauburgunder zum Beispiel, oder einen Rosé.